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2020

KM37: *GEL- [ein Gletscherarchiv]

Was betrauern wir, wenn die Gletscher der Alpen und das ewige Eis der Polarregionen weggeschmolzen sind? Die Wasserreserven, vom Eis abhängige und regulierte Organismen und Strömungen, das in ihnen gespeicherte Wissen über die Erdgeschichte oder ihre physischen Präsenz? In den Debatten um den Klimawandel wird impliziert, dass Eis beständig ist; als möchte man die Gletscher in ihrem Zustand einfrieren wie Artefakten in Archiven, auch wenn Eis und Klima per se veränderliche Entitäten sind. Mittels technischer Innovationen wird versucht eine Illusion von Ewigkeit aufrechtzuerhalten und damit die eigens beschleunigte Vergänglichkeit zum Halt zu bringen. Werden Gletscher damit bereits selbst zum Artefakt, wenn künftig das Klima synthetisch reguliert wird?

Die Gletscherschmelze ist nicht bloss ein ernstzunehmender Faktor des Klimadiskurs, sondern als sichtbares Symptom der Erderwärmung auch zum Sinnbild dieses Diskurses geworden. Die globale Gletscherschmelze bietet ein Abbild der veränderten Umweltbedingungen, die diesen Planeten für Lebewesen wie den Menschen unbewohnbar machen. Damit sind Bilder des schmelzenden Eises, heutzutage immer auch Bilder einer durch das Klima bedrohten Existenz. 


Janis Lionel Huber spielt in seiner audiovisuellen Mehrkanalinstallation *gel- mit dem Gedanken Gletscher medial zu archivieren, um sie dadurch als Relikte konservieren und analysieren zu können. Vielleicht lassen sich diese digitalen Artefakte zu wachsenden, virtuellen Gletschern im urbanen Raum restaurieren? Archive und Archivieren als Praxis unterliegen nostalgischen Tendenzen und Wünschen der individuellen und kulturellen Erhaltung und sind in der modernen Kulturgeschichte verankert. Dabei wird mit *gel- die Hoffnung auf technologische Lösungen für den Klimawandel affirmativ überhöht, um die Widersprüchlichkeit dieses Wunsches sichtbar zu machen. 

Die filmischen und fotografischen Aufnahmen die *gel- zugrunde liegen, entstanden über mehrere Jahre an verschiedenen Orten (z.B. Schweiz / USA) und haben selbst Archivform angenommen. Im Zentrum von *gel- stehen jedoch die Aufnahmen von Janis diesjährigen Expeditionen nach Südpatagonien, in die Antarktis und in die Schweizer Alpen – global markante Eisflächen, die stark von der Erderwärmung betroffen sind. Mit dem Wegschmelzen der Polarregionen und der ikonischen Alpengletscher schmilz nicht nur ihr archiviertes Wissen, sondern auch die Vorstellung des ewigen Eises, die an sie geknüpft ist.

Janis Lionel Huber (*1993, Basel) ist Medienkünstler mit dem Fokus auf installative und performative Videoarbeiten, die sich raumzeitlich, ästhetisch und medienreflektierend mit Diskursen, ihren Ambivalenzen und Zonen der Unentscheidbarkeit auseinandersetzen. Aktuell setzt er sich mit dem Anthropozän, dessen Sprache, Bildern und Theorien auseinander. Janis Lionel Huber Schaffen ist auch geprägt durch seine Arbeit an transdisziplinären, soziokulturellen Projekten; seine kuratorische Praxis für die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur und seiner Tätigkeit als Moderator für Film-/Kunst-Gespräche. Nach seinem Bachelor in Germanistik, Film- und Musikwissenschaft schliesst er seinen Master in Kulturanalyse und Germanistik an der Universität Zürich ab.


Team:

Künstlerische Leitung, Raumkonzept und Videoinstallation: Janis Lionel Huber

Soundinstallation: Gerome Johannes Gadient (*1996) studiert am Institut Kunst HGK FHNW Basel seinen Master in Fine Art. Als Künstler und Musiker realisiert er soundbasierte Arbeiten für Ausstellungen, Performances und Film. Im Zentrum seiner Projekte stehen unterschiedliche Formen von Realitätswahrnehmungen, Themen wie der Raum, die unendliche Anzahl Stellen zwischen 0 und 1, der lauwarme Bereich zwischen kalt und warm, die Möglichkeit in einem Zwischenraum alles zu sehen, Haltung einzunehmen, Perspektiven und Richtungen zu vermitteln. Akustisch und installativ begeben sich seine Arbeiten in diese Bereiche, machen Zwischenräume auf, füllen oder leeren das Dazwischen neu, stellen Seiten und Grenzen in Frage, mischen Bekanntes mit Unbekanntem, Ungehörtes mit Unerhörtem und gehen dabei ganz spezifisch auf Aspekte unserer/der Zeit ein.

Szenografie: Jeanne-Vera Bourguignon (*1992) und Rebecca Zesiger (*1992) sind Konzeptdesignerinnen mit einem Bachelor in Design der Zürcher Hochschule der Künste. Sie engagieren sich vor allem in den Bereichen Szenografie, Kostümbild und Styling, Eventdesign und Umsetzungen von Bühnenbildern im kulturellen und kreativen Bereich.

Reader zur Ausstellung: Issuu


Daten:

Vernissage: Do 01.10. 18 - 21 Uhr

Ausstellung: 02.10. - 10.10. jeweils Fr 18 - 21 Uhr und Sa 16 - 21 Uhr

DJ-Set Gerome Johannes Gadient: Fr 02.10. 20 Uhr (Vinyl only)

Werkgespräch: Sa 3.10. 18:30 Uhr

Mit Janis Lionel Huber und Gerome Johannes Gadient, moderiert von Carla Peca (Kein Museum)

Themengespräch: Sa 10.10. 18:30 Uhr

Mit Arian Bastani (Wissenschaftsjournalist Universität Bern und Republik), Dr. Mauro Fischer (Glaziologe am Geographischen Institut der Universität Bern) und Janis Lionel Huber, moderiert von Carla Peca (Kein Museum)

*weitere Termine auf Anfrage (ein@keinmuseum.ch)

Förderung:

Das Medienkunstprojekt *gel- [ein Gletscherarchiv] wurde realisiert mit der freundlichen Unterstützung vom Fachausschuss Film und Medienkunst BS/BL und der Ceroni Foundation.

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