Bereits im Workshop mit untamed.love hat uns das Thema Konsens im Spiel beschäftigt. Spielerisch durften wir die verschiedenen Rollen des «Wheel of Consent» von Betty Martin austesten und üben auszuhandeln, wie wir mit unseren Mitmenschen interagieren wollen. «Consent» wie er in der BDSM-Kultur praktiziert wird, hat sich für uns als wichtige Praxis etabliert im Kuratieren von Ausstellungen sowie in der Interaktion mit Kollaborateur:innen und Besucher:innen.
Während ich den Workshop «PLAYING THEORY – A playful introduction to queer theory» vorbereitete und versuchte, Texte der queer theory spielerisch aufzubereiten, stellten Anaïs und ich via Instagram fest, dass unsere Gedanken und Interessen in eine ähnliche Richtung zielen. Während Anaïs mit Werken queerer Künstler:innen arbeitete, versuchte ich Strategien und Praktiken aus der queer theory zu erfassen und zu vermitteln. In Queering Games arbeiten wir nicht per se mit Künstler:innen, die queer als Wort für ihre Identität verwenden. Vielmehr wollen wir als Kuratorinnen das Spektrum an queeren Handlungen erforschen, austesten, in unserer Ausstellungspraxis verankern und so auch im Rahmen von «Queering Games» im Medium des Games erfahrbar machen. Die Einladung zum Panel war für mich die Möglichkeit, die Eigenheiten von Konsens in der Kunst bzw. im Spiel auszuloten.
Im Spiel ist Konsens eine Art Spielvertrag, in dem die Spielregeln zwischen Spielpartner:innen klar kommuniziert, ausgehandelt und abgemacht werden. Gerade wenn in einem queeren Kontext, gesellschaftliche Normen hinterfragt oder verworfen werden, gewinnt diese Praxis an Bedeutung. Sie fordert nicht nur gute Selbstkenntnisse, sondern öffnet auch den Raum, sich selbst neu kennenzulernen. Konsens im Spiel heisst also nicht, sich innerhalb seiner Komfortzone zu bewegen, sondern kann im Gegenteil eine Einladung sein, diese zu verlassen.
Die Kunst oder ein Kunstort kann in diesem Sinne auch als Spielfeld gelesen werden, in dem gesellschaftliche Regeln ausgeschaltet oder verändert sind. Gerade auch in unserer kuratorischen Arbeit im Kein Museum haben wir Ausstellungen oftmals als Einladung verstanden, auf ästhetischer oder inhaltlicher Ebene neue Perspektiven zu studieren oder einzunehmen. Dabei stellt sich die Frage ob, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form Konsens zu einer Kunsterfahrung gegeben werden kann.
Beispielsweise in der Auseinandersetzung mit der Arbeit der Künstlerin abcde Flash (she/her) wird dies in der Ausstellung Lust*Art deutlich. Die sexplorative Künstlerin geht in ihrer künstlerischen Praxis an ihre eigenen körperlichen und mentalen Grenzen und konfrontiert uns Betrachter:innen mit einer doppelten Grenzerfahrung: Der körperlichen Grenzerfahrung der Künstlerin und unserer eigenen in der Betrachtung der Abbildungen. Aus diesem Grund hat die Kuratorin in Absprache mit der Künstlerin sich dazu entschieden, die Arbeit in der Ausstellung Lust*Art mit einer Triggerwarnung zu versehen.
Ist der Dialog zwischen Künstlerin und Besucher:in nicht möglich, tritt also die Triggerwarnung an deren Stelle. Die Aushandlung der Spielregeln und Grenzen des Spielraums findet damit in einem inneren Dialog statt. Die Künstlerin hat mit der Entscheidung, ihr Werk auszustellen, bereits ihren Konsens zur Betrachtung gegeben. Als Besucher:in liegt die Entscheidung nun bei mir, ob ich diese Einladung annehmen möchte.
Im Panel hitzig diskutiert haben wir die Frage, ob der Kunst damit nicht die Chance genommen wird, Besucher:innen zu überraschen und zu schockieren. Die Überraschung kann ein wichtiges Moment der Kunsterfahrung sein. Gleichzeitig lässt diese durch ihre Zeitlichkeit keinen Raum für Aushandlungen. Schlussendlich finde ich, dass Anaïs eine stimmige Lösung für dieses Dilemma gefunden hat. Durch die Triggerwarnungen ist die Ausstellung inklusiv gestaltet und bietet den Willigen einen extra Kick; traumatisierte Menschen hingegen, die bestimmten Themen nicht begegnen möchten, können proaktiv entscheiden, ob sie die Information über “flip me” auch tatsächlich durch Umdrehen erfahren möchten. Sie lesen dann die Themen, die triggern können und entscheiden erneut, ob sie sich der Ausstellung aussetzen möchten oder nicht. Für mich zeigt sich an Lust*Art, dass Konsens und Überraschung in der kuratorischen Arbeit in jeder Ausstellung neu ausgehandelt werden müssen.
In einem Kunstraum kann sehr wohl mit gesellschaftlichen Regeln und sozialen Konstruktionen gespielt werden, jedoch ist dieser nie gänzlich von deren Regel befreit. Werden klare Rahmenregeln unsichtbar, sind Individuen im direkten Kontakt auf die situative Aushandlung des Konsens zurückgeworfen. Und dies kann – im Sinne der Selbsterkenntnis – ein abenteuerliches und spannendes Unterfangen sein.
(Text: Carla Peca, Fotos: Viktória Hrončoková)